Lights on, Baby

Mit fünf Schichten Kleider auf der Haut, einem Stativ unter dem Arm und hundert Eiszapfen in den Haaren stapfe ich durch die frostige Januarkälte. Und ich bin nicht die Einzige. Luzern lebt und leuchtet – und das Dank dem Lilu Lichtfestival Luzern. Das Festival geht 2022 in die dritte Runde und begeistert vom 6. bis 16. Januar mit zahlreichen Lichtinstallationen. Was ich dieses Jahr am meisten gefeiert habe, wo die Anarchie ausgebrochen ist und was das Lilu mit Gender zu tun hat, liest du in diesem Blogbeitrag.

Schlacht der Stative zum Zweiten

Eine peppige Musik weht über die Seebrücke und lenkt den Blick von den dunklen Wellen der Reuss hoch zum Wasserturm. Ein kleiner roter Fisch namens Luc wuselt durch eine bunte Unterwasserwelt, spielt dem schnarchenden Löwen beim Löwendenkmal einen Streich und torkelt durch die mit Feuerwerkskörper illuminierte Silvesternacht. Ich könnte dem Schauspiel stundenlang zusehen, doch das Stativ baut sich nicht von selber auf, gell. Die Frage ist nur wo: Schliesslich ist auch am diesjährigen Lichtfestival wieder die Schlacht der Stative ausgebrochen - mit Männern an vorderster Front. Fotografierende Frauen sehe ich nur selten – umso stolzer schleppe ich also mein Stativ von Lichtinstallation zu Lichtinstallation.

Gleich neben der Kapellbrücke schmunzeln die Leute der Fassade der Peterskapelle entgegen. Eine witzige Odyssee zwischen einem Stück Brot und Moritz der Möwe flimmert aus den riesigen Projektoren. Durchdacht, clever und mit Liebe zum Detail (habt ihr den kleinen Krebs gesehen der einmal am Kirchenturm herauf krabbelt?).

Blumen- und Freudentanz in der Altstadt

Ich schlendere durch die gut besuchte Altstadt, vorbei an trampolinhüpfenden Minimenschen. Plötzlich öffnet sich der Blick auf den Mühleplatz. Ein Meer an Glitzer schwappt über die Pflastersteine, tausende Konfetti tanzen über die historischen Häuserfassaden. Mal irisierend blau, mal zart goldig. Auch die anderen Besuchenden kriegen sich vor Staunen fast nicht mehr ein. Ja, die Lichtinstallation „Flower Power“ des französischen Künstlerkollektivs Spectaculaires gehört eindeutig zu den Highlights des Lichtfestivals.

Es sind nicht nur erleuchtete Fassaden und bunte Gassen welche das Lilu so speziell machen. Es sind wahre Kunstwerke, welche die Leute ja schon fast ekstatisch durch die Leuchtenstadt begleiten und die Insta-Boyfriends und Girlfriends aus der Reserve locken. In ihrem natürlichen Habitat, zum Beispiel hinter dem Schweizerhof, zu erleben. Die unsymmetrischen Kreise erinnern ein wenig an den österreichischen Künstler Hundertwasser und stellen ein gesuchtes Fressen für das perfekte Selfie dar.

Von Atemübungen und Mönchsgesang

Auf der Seepromenade Richtung Verkehrshaus begegnet mensch dann gleich mehreren Lichtinstallationen. Die orange leuchtenden „Crodino Crystals“ auf dem Kurplatz haben genau ein Wochenende überlebt, bis sie der Anarchie zum Opfer gefallen sind. Am Montag waren die kleinen Flaschen nämlich bereits aus der Installation rausgerupft und leer getrunken worden. Der Spaziergang führt weiter an einem überdimensionalen, im Wasser knienden Mann, der meditativ in die verschiedenen Chakras zu atmen scheint und die Besuchenden insgeheim auffordert es ihm gleich zu tun. Weiter durch eine Allee an blau angeleuchteten Bäumen, schlendere ich zu einem LED-Thunfisch und schliesslich zum Zauberbaum (alles freie Titelinterpretationen der Autorin wohlgemerkt).

Zum Aufwärmen lohnt sich auf dem Rückweg ein Zwischenhalt im Casineum, wo das dänische Künstlerkollektiv Vertigo ihre Lichtshow „Refrakto“ zum Besten gibt. Ich sehe in der Lichtshow eine dunkle Waldnacht mit vorbeiflitzenden Füchsen, kurz bevor sich ein Gewitter über der mystischen Szenerie entlädt. Mönchsgesang trifft auf Laser, mehr will ich nicht verraten.

Gänsehautmomente die Dritte

Lilu wäre nicht Lilu ohne seine spektakuläre Lichtshow in der Hofkirche. Auch dieses Jahr wieder mit am Start: Das Zürcher Künstlerkollektiv Projektil. Die Lichtshow „Wonders“ gehört für mich zur bis jetzt besten Lichtshow seit es das Lilu gibt. Die Musik schmettert richtig rein und passt perfekt zu den projizierten Architekturwunder. Über mir baut sich das Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle auf, nur um in der nächsten Minute von der Fensterrose der Notre Dame abgelöst zu werden. Ich musste mir die Shows mehrmals ansehen. Einmal tanzend durch das Nebenschiff, vorne im Mittelgang liegend und natürlich zu hinterst mit der Kamera in den Pfoten.

Zum Abschluss: Jeder erinnert sich an seine prägenden ersten Male. Der erste Kuss, die erste Wohnung, das erste Auto - you name it. Am Lilu Lichtfestival Luzern kribbeln die gleichen Glückshormone durch die Adern. Es gibt nämlich fast nichts Überwältigenderes als das erste Mal eine Lichtinstallation zu sehen. Wie sich die Ornamente in der Hofkirche zum Bass der Musik wenden, wie Luc verschmitzt über die Fassade des Wasserturms tänzelt oder wie tausend Glitzerperlen zu Engelsgesang über den Mühleplatz schweben. Ja, das Lilu hat es auch in seiner dritten Ausgabe wieder geschafft – mir ein Tränchen aus den Augen kullern zu lassen. Weil der Januar endlich wieder etwas Farbe trägt. Und weil ich einmal mehr für diese schöne Stadt dankbar bin, welche ich Heimat nennen darf.


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Leichtpedalig über zwei Pässe

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