Und es wurde trotzdem Licht

L wie Lilu und wie Luzern. L wie Licht und L wie Liebe. Dem Lilu Lichtfestival Luzern ist es auch dieses Jahr wieder gelungen mir unter den fünf Kleiderschichten Gänsehaut zu verleihen. Das Lichtfestival findet 2023 zum vierten Mal statt und auch wenn das farbenfrohe Lichterspektakel aufgrund der Energiesituation in reduzierter Form stattfindet, zaubern riesige Fische, quirlige Eichhörnchen und fröhlich hüpfende Glühwürmchen den Besuchenden ein Lachen auf die gefrorenen Lippen.  

Freundinnen und Freunde der Lichtkunst - da sind wir also wieder: Unter Blätterdächern, zwischen Stativen und mit funkelnden Lichtern über unseren Köpfen. Das Lilu Lichtfestival Luzern holt die Stadt Luzern einmal mehr aus ihrem grauen Januarloch heraus und erleuchtet Sehenswürdigkeiten und historische Plätze mit fotogenen Lichtinstallationen. Dieses Jahr ist alles ein wenig anders und doch bleibt vieles gleich. Alle anschnallen, bitte.  

4 Jahreszeiten in 30 Minuten 

Das Sahnehäubchen bleibt die spektakuläre Lichtshow ÄON des Zürcher Künstlerkollektivs Projektil. Dieses Jahr findet die 30-minütige Achterbahnfahrt der Gefühle aber nicht in der Hofkirche, sondern in der barocken Jesuitenkirche statt. And let me tell you – der Vibe ist schon ein anderer. Liegt wohl daran (Achtung gefährliches Architektur-Halbwissen), dass die Hofkirche durch ihre spätgotische Ausstattung eine viel düsterere Atmosphäre schafft. Die diesjährige Lichtshow flasht dank dem prächtig geschmückten Barock-Inneraum der Jesuitenkirche und der Lichtprojektion bis an den Boden hinunter, hingegen doppelt. So können sich die Besuchenden noch besser auf die Metamorphose der vier Jahreszeiten (und einen steifen Nacken) einlassen. Wer schlau ist, legt sich auf die Bänke oder in den Mittelgang.  Wir haben ja aus den letzten drei Jahren gelernt, oder?

Ausschnitt aus Vivaldis Herbst

So liege ich also unter einem grünen Blätterdach. Der Wind raschelt sanft und säuselt mit Vivaldis «Frühling» zwischen den weissen Marmorsäulen hindurch. Blumen gedeihen zum fröhlichen Violinsolo, während sich im nächsten Moment «der Sommer» in einem stürmischen Gewitter entlädt. Cembalo und eine nach Luft schnappende Solovioline rasen mit den herabfallenden Regentropfen die Tonleiter rauf und runter. Wer mich kennt, weiss, dass ich mich bei Gewittern wie ein aufgescheuchter Hund unter der Treppe verkriechen möchte. So lässt die Gänsehaut beim Ertönen der mächtigen Donnerschläge auch nicht lange auf sich warten.  

Projektil hat sich dieses Jahr irgendwie dem Thema «Blitz & Donner» verschrieben. Denn auch die Fassade der Hofkirche wird von blauen Blitzen und roten Lasern geziert.  

Findet Dorie – und andere Lebewesen 

Besonders eindrucksvoll ist die interaktive Installation «Aquatics» unter dem KKL-Dach. An einem Touchpad lässt sich nicht nur das mystische Erscheinungsbild von Quallen und Fischen bestimmen, sondern auch deren Charakter. Nachdem die schwabbelnden Wasserwesen im fluiden Raum zum Leben erweckt wurden, bestimmt jedes Geschöpf autonom über sein Verhalten. Während die Wasserwesen in ihrem Ökosystem umhergleiten und aufeinander reagieren, hallt ein tiefer Walgesang über den Europaplatz.

Irgendwie erinnert es mich an Dorie von «Findet Nemo», welche nach ihren Walfreunden ruft. Herrschen zudem ruhige Windverhältnisse, spiegelt sich die Installation im Wasserbecken auf dem Europaplatz und suggeriert damit das Gefühl, dass die Wasserwesen tatsächlich ihre Bahnen durch den kalten Vierwaldstättersee ziehen.

Magisch sind auch die vielen kleinen Glühwürmchen auf dem Inseli. Durch das Zusammentreffen der Metallstäbe ertönt ein leises Zirpen und es scheint, als würden sich die Glühwürmchen den neusten Gossip zuflüstern. Nicht zu vergessen, das buschige Eichhörnchen bei der Landungsbrücke 3, welches sich nur bei der Fütterung einer Nuss zeigt. Irgendwie hat die vierte Lilu-Ausgabe den Charakter einer Freilauf-Zooanlage. Schliesslich gibt es überall Tiere zu formen, bestaunen oder füttern.  

Altbekannte Gesichter 

In der Meilihalle treffe ich eine alte Bekannte von mir: Eine 80-jährige Dame, ausgerüstet mit Stativ und Profikamera. Nennen wir sie Martha, denn kennen tu ich die gute Frau eigentlich nicht. Aber jedes Jahr kreuzen sich unsere Wege am Lilu und ich werfe ihr stets einen bewundernden Blick zu. Ich mag ja mein Equipment jetzt schon kaum tragen und die Gute huscht in ihrem stolzen Alter noch immer in der Kälte von Lichtinstallation zu Lichtinstallation. Na dann, bis nächstes Jahr Martha!  

Wie bereits angekündigt, schleppe ich mein Stativ also quer durch die Stadt. Zur Peterskapelle, wo sich Goldfische und Sterne gegen einen gefrässigen Hecht* durchsetzen (Bitte melden, falls ich dieses Tier fälschlicherweise als Hecht identifiziert habe). Zur leuchtenden Kugelbahn bei der Kantonalbank und natürlich zur Landungsbrücke 1, wo blaue Kugeln in einem Nebel- und Menschenmeer wellenartig vor sich hin schaukeln.

Unterwegs sorgen Food- und Getränkestände für die innere Wärme. Im neuen «Lilu Village» auf dem Europaplatz entdecken die Besuchenden nicht nur das Thema Energie auf spielerische Weise, die Bar lädt auch zum Verweilen und Pausieren ein. 

Hereinspaziert ins warme Lilu-Village

Reduziertes Programm 

Etwas traurig ist der Blick auf den dunklen Wasserturm. Zur Senkung des Energieverbrauches galt es gemäss der Stadt Luzern den Stromverbrauch des Lichtfestivals um mindestens 20 Prozent zu senken. Das Lilu geht sogar noch einen Schritt weiter und reduziert den Stromverbrauch um 30 Prozent. Als Konsequenz wurden den Lichtinstallationen am Wasserturm und in Teilen der Altstadt den Stecker gezogen. Nichtsdestotrotz vermag das Lilu mit seinen 16 Lichtinstallationen die herumstreunenden Besuchenden zu verzücken. 

Es sind schliesslich auch die kleinen Momente, welche das Lilu ausmachen. Zwei asiatische Touristen, welche sich fünf Minuten vor Showbeginn noch spontan für das Marius Bear Konzert in der Jesuitenkirche entscheiden und anschliessend aus dem Schwärmen nicht mehr herauskommen. Ein Co-Fotograf, der mir mit seiner Handytaschenlampe Licht zündet, damit ich den Stativadapter besser einstellen kann. Ein Kleinkind, dass sichtlich vergnügt mit seinem Teddybär-Winteranzug durch die blauen Leuchtkugeln von Aqua Olimpia hindurchwuselt. Das Raunen, dass durch die Jesuitenkirche weht, wenn die Eiskristalle an der Fassade hochklettern. Wie mir das Zusammenspiel von Donnerschlägen und Vivaldis stürmischen Violinen Tränen in die Augen schiessen lässt.  

Ach Lilu. Auch wenn du dieses Jahr nicht so stark leuchten konntest, hast du meinem Herz einen warmen Farbtupfer aufgedrückt. Danke. 

* Ergänzung der Redaktion. Es war natürlich kein Hecht, sondern ein Wels…Danke für den Hinweis!


Nützliche Links 


Weiterlesen: Meine vergangenen Lilu-Berichte

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Leichtpedalig über zwei Pässe